Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektroakustische Musik und Medien

November 2010

zusammen mit Daniel Berwanger

November 2010, zusammen mit Daniel Berwanger

Wie kann das Verhältnis von Tanz und zeitgenössischer Musik angesichts interaktiver Medien im 21. Jahrhundert neu definiert werden? Der Musikmäzen Walter Fink suchte mit dem von ihm für das ZKM | Institut für Musik und Akustik gestifteten Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektroakustische Musik und Medien darauf Antworten zu finden.

2010 wurde zum zweiten Mal der Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektroakustische Musik und Medien vergeben. Der Produktionspreis für die technisch innovative Verbindung von Choreografie und Klang richtete sich an Teams, bestehend aus Komponist:innen, Choreograf:innen, Tänzer:innen und Bühnenbildner:innen.

Der Walter-Fink-Preis des ZKM für Tanz, elektroakustische Musik und Medien wurde 2010 an das Team Daniel Berwanger und Pipo Tafel für ein interaktives Konzertkonzept verliehen. Daraus entstand 2011 »ONE THREE TWO (133)«, Komposition für Solotanz, Kamera und Live-Elektronik. Die interaktive Performance wurde beim imatronic Festival 2011 uraufgeführt.

Das Institut für Musik und Akustik (IMA) produzierte die Uraufführung. Das IMATRONIC Festival des ZKM ist das größte Festival elektronischer Musik in Deutschland, das junge aktuelle Entwicklungen präsentiert und auszeichnet. Die Verbindung von Klavier und elektronischer Musik verleiht dem ZKM | Institut für Musik und Akustik international ein Alleinstellungsmerkmal.

 

Aus dem von der Jury ausgewählten Konzept

„ Bewegung als Choreographie, Bewegung als Musik. Die Bewegung im Raum.“ Der Raum, in dem etwas vor- und aufgeführt wird, wird als Instrument gespielt. Der Besucher, der sich in diesem Raum frei bewegen kann, drückt sein Denken in Bewegung aus. Dies drückt seine Entscheidungsfreiheit aus - ohne der Bewegung ab- oder zusprechen zu müssen, sie sei künstlerisch oder nicht. Der Entscheidungsraum, der Ausformung via Software / Sound / Video erhält (durch die Definition der Parameter), macht den Besucher zum Tänzer und Musiker.

„ John Cage“

Der Thematik, die einem Publikum des 21. Jahrhunderts gerecht wird, wie Bewegung / Tanz, elektronische und elektroakustische Musik und neuen Medien in Verbindungen treten können, die Referenz von Cages 4’33“ zugrunde legen. Im Cageschen Denkraumes gibt es nicht gut oder schlecht, schwarz oder weiß, sondern auch die bloße Erfahrung, teilhaben, da sein, im Moment, vor der Wertung.

„Weniger sein zu wollen als ein Komponist und ein Choreograph.“

Bewegung, Klang, Raum - dem Publikum seine Wahrnehmung „in die Hand“ geben – besser gesagt „in den Körper“. Damit beginnt es sich selbst und seinen eigenen Spuren zuzuhören - es ist in einem ständigen Tanz mit sich selbst.

„Den Tanz des Publikums zum Klingen zu bringen.“

Wird dieses Publikum sich zum Staunen bringen, wenn es merkt, wie sehr es selbst die erste Geige spielt?

 

Der intensive Gebrauch des Computers bei Aufführungen fordert neben einer neuen Werk- und Produktions- auch zu einer neuen Rezeptionsästhetik von Musik heraus. Der Computermusiker zerbricht sich vor allem seinen Kopf über die Kompositionen und seine digitalen Produktionswerkzeuge. Weniger jedoch findet eine Auseinandersetzung darüber statt, wie diese einem Publikum dargeboten werden und während einer Aufführung integrierend wirken können. Die historischen Bezüge zu Aufführungsanweisungen neuer Musik, John Cage soll hier mit seinem Werk als Beispiel angeführt sein, können Anregung dafür liefern, die leibliche Ko-Präsenz zwischen Musiker und Publikum während eines Konzertes oder einer Performance, in der ein Computer als Sinnstifter eingesetzt wird, verstärkt zu hinterfragen.

Die Aufführung eröffnet mit ihren besonderen Eigenarten dem Publikum die Möglichkeit in ihrem Verlauf Transformationen zu erfahren - sich zu verwandeln. Es ist nicht länger Beobachter der Repräsentation von Zeitgenossenschaft im Wecheselverhältnis zwischen Akteur und Betrachter, sondern wird, so wie der Tänzer auf der Bühne zur Rolle wird, zum Instrument im Hier und Jetzt. Seine Geste wird zu Musik. Die physische Präsenz und die Reaktionen des Publikums werden notwendiger Bestandteil der Aufführung. Statt ein Werk zu schaffen, bringt es ein Ereignis hervor, das erst durch seine Aktion/Reaktion gestiftet, in Gang gehalten und durch das Verlassen des Raumes beendet wird. Die vollzogenen Handlungen, in der Ausfor- mung von singulären und gemeinschaftlichen Bewegungsabläufen, verstehen sich dabei als Materialien des musikalischen Korpus. Der Materialstatus beansprucht sein Eigenleben, das Publikum spielt sich selbst, während sich der Computer in seiner korrespondierenden Funkti- on zwischen Autorschaft und Performer zwar mit einbringt, jedoch nicht dominiert. Die Hörer exsistieren im Gebrauch des Laptops als musikalisches Instrument und choreographische Performance.

Eine sich permanent veränderliche feedback-Schleife bringt sich dabei selbst hervor und ist von der kompositorischen Syntax der Software autogesteuert.
Ihr Ablauf nicht vollständig planbar und vorhersagbar, instant composition.

Multimedia

Play Video
Preisverleihung mit Eindrücken eines ersten Prototypen (Tänzer: Uwe Brauns)

Künstlerteam

Daniel Berwanger und Pipo Tafel

Jury

Ludger Brümmer (Leitung ZKM | Institut für Musik und Akustik), Walter Fink (Musikmäzen), Achim Heidenreich (ZKM | Institut für Musik und Akustik, Leitung musiktheater intégrale | Hochschule für Gestaltung Karlsruhe) und VA Wölfl (Fotograf, Choreograph, Leiter Kompanie NEUER TANZ, Schloss Benrath)

Preisverleihung

4.12.2010 imatronic Festival, ZKM Karlsruhe

One Three two (133) ZKM logo