entre-acte

Tanz-Performance mit Paulo Guerreio für Cartes Blanches, D.A.N.C.E. @ Centre chorégraphique national d'Aix-en-Provence.

Die 7-teilige Aufführung fand in den Umbauphasen / Unterbrechungen des Tanzabends "Carte Blanches" statt, inspiriert vom Avantgarde Film 'Entr'acte' von Rene Clair. Dieser wurde 1924 während der Ballettaufführung Relâche am Pariser Théâtre des Champs-Élysées in der Pause des Balletts gezeigt. Unter anderem traten darin auf: Erik Satie, Francis Picabia, Jean Börlin, Startänzer der Ballets suédois und Marcel Duchamp sowie Man Ray, die darin Schach spielten.

Zur Stückentwicklung und den Hintergründen
Performer Paulo Guerreiro lernte ich kenne, während ich von 2005 bis 2006 erst in Brüssel und dann in Marseille lebte. Wir waren 2 von 24  Tänzern des D.A.N.C.E. Programms, eine Kollaboration zwischen Frederic Flamand, William Forsythe, Wayne McGregor und Angelin Preljocaj, deren Ziel die Schaffung einer neuen Elitegruppe von Europas besten NachwuchstänzerInnen war.

Unser Interesse am Tanz an den Grenzgebieten zu bildender, Video- und Performance-Kunst war während des hochkarätigen Programmes D.A.N.C.E.  noch nicht genug gestillt. Also entwickelten wir parallel dazu über mehrere Monate lang "entre-acte". Und integrierten neben regelmäßigen Proben im Tanzstudio (des Ballet de Marseille, wie es oben zu sehen ist) weitere Elemente in den Stückprozess: Gespräche am Strand Marseilles, die auf Audio aufgenommen wurden, nackt durchgeführte Improvisations-Sessions in den Bergen der Calanques am Stadtrand, einen Tag, den wir schweigend miteinander verbrachten, studierten Filme und Literatur oder sammelten Video- und Audio-Material in der Stadt und seinen Vororten.

Daraus ein Format zu entwickeln, hieß für uns, über das kompositorisch-technische Können des alltäglichen Tänzerdarseins die Stilfrage zu untersuchen. Steckt in unserem (durch Training stilistisch geprägten) Körper eine Aussage, mit der wir das Publikum jenseits des zeitgenössischen, klassischen und modernen Tanzidioms berühren können?

Die Frage nach der Wertfreiheit als Betrachtungsobjekt stiftete uns den Rahmen fürs Proben: als Performer im Moment sein und sich dabei trotz der Anwesenheit des Publikums bewertungsfrei ausdrücken. Läßt sich das choreografisch umsetzen? Welche Rolle haben wir in der Begegnung mit dem Publikum, wenn wir Kreation und Betrachtungs(sujet) des Publikums sind. Gibt es eine Zone, in der man weder Performer, noch Person ist, nur Bewegung und Begegnung: flow? Welche Parameter braucht es dazu in der Choreografie, in der Improvisation?

Entre-acte wurde im Rahmen des Tanzabends zwischen den anderen Stücken aufgeführt, sozusagen nachhaltig effizient die Leere nutzen und sich inhaltlich darauf beziehend, ob es eine Leere gibt. So wie bei 4' 33" von John Cage die Stille in der Komposition deren Inhalt ist, es aber gar keine Stille gibt, wenn der Pianist nicht spielt - denn die "Welt ist Klang".

"entre-acte" bestand aus sieben Sektionen, und war eine Mischung aus vorproduzierten und live-aufgeführten Teilen.  Eine Überwachungskamera filmte Paulo und mich durchgehend, während wir in einem nebenan gelegenem Studio in den von Mara Tsironi gestalteten Kostümen 1 1/2 lang eine Tanzaufführung absolvierten - ohne Zuschauer - und nicht wussten, wann die Kamera live dazuschaltete. Jede Tanzsequenz-Liveübertragung wurde mit einem Videotitel, wie er unten zu sehen ist, angekündigt und fand in der Umgebung von Publikumsgeräuschen auf der Bühne statt.