284 steps

Tätigkeit
Konzept, Produktion,  Leitung, Postproduktion

Projektzeitraum
2022 - 2023

Internationales Projekt in Deutschland, den USA und Kroatien, um die Kunst der Tanzvermittlung in die virtuelle Welt zu übertragen - ein Ansatz, der tradiertes Wissen mit innovativer Videotechnologie zu einem lebendigen, digitalen Trainingsraum verbindet.

Projekthintergrund

Ich war früher (2001 - 2011) zeitgenössischer Tänzer. 2020 nahm ich während der ersten Phase der Corona-Pandemie fast täglich an einem Zoom-Ballett-Training des Ballettdozenten Ken Ludden teil. Oft erwähnte der Dozent 284 Schritte des klassischen Tanzes und dass diese heute kaum noch in dieser Vollständigkeit vermittelt werden. Daraus entstand die Idee, 284 Filme zu drehen - einen für jeden Schritt.

Ken Ludden RIGA_Spring_2018

Eine von der Bühne abtretenden Generation von Vertreter:innen des Tanzes wird ihr Wissen mit ins Grab nehmen, da es kaum dokumentiert ist. Inwiefern kann dieses Wissen überleben, dass über Jahrhunderte von Person zu Person tradiertes Wissen (zumindest teilweise) vor dem Verschwinden gerettet wird?

Aber um systematisch die Grundlagen des klassischen Balletts zu lernen, braucht es die gemeinsame Arbeit im Studio. Es ist unmöglich, traditionelle Bewegungsabläufe und ihre präzise Vermittlung auf Video aufgezeichnet zu erlernen. Also entschloss ich mich dagegen, Schritte konkret abzubilden, und stattdessen Zeitzeugen Gespräche aufzuzeichnen.

Ich fuhr für die Videodokumentation Anfang 2022 für acht Wochen in die USA. Luddens gesundheitliche Probleme im fortgeschrittenen Alter führten aber dazu, dass wir mit den Aufnahmen nur schleppend voran kamen und weniger als 30 Schritte aufgezeichnet wurden.

Ich machte im Juli 2022 einen weiteren Versuch und fuhr mit einem Kameramann nach Zagreb, um dort gemeinsam zu drehen. Wieder lief es anders als gedacht. Aus der Not machte ich eine Tugend und es entstand ein Film Essay.

Das digitale Ballettstudio

Durch den Verlauf des Projekts mußte sich das Projekt von der Einzelperson emanzipieren. Aus diesem Prozess heraus ergab sich der entscheidende Richtungswechsel. Der Ansatz ging von der Dokumentation weg hin zu einer Verknüpfung von digitalen Tools mit analoger Wissensvermittlung in Echtzeit aus dem Studio. Im Sinne von Marshall McLuhan "The Medium Is The Message (Massage)" entstand der Ansatz: Die verwendete Technik ist ausschlaggebend.

"Was, wenn ein Vermittler, ein flexibles Modell eine Technik ist, die sowohl Lehrenden als auch Tänzer:innen nach dem Unterricht einen sofortigen Zugriff auf das mit Multikamera-Perspektiven aufgenommene Videomaterial ermöglicht, ohne dass eine Postproduktion (Filmschnitt) notwendig ist?"

284 2023-04-06 studio equipped

Im Projektverlauf entstand anschließend das Gerüst für einen Prototypen eines "digitalen Ballettsaals":

  • aus dem man live streamen kann
  • in dem alle Daten in Multikamera zugleich aufgezeichnet werden
  • in dem alle Kameraeinstellungen sofort archiviert werden
  • der Daten automatisch benennt und miteinander verknüpft speichert
  • dessen Software ohne Spezialwissen und Vorausbildung bedienbar ist
  • der ermöglicht, sofort per USB Stick gefilmte Sessions auszugeben / mitzunehmen
  • der erlaubt, ohne Postproduktions-Zwischenschritt, auch Jahrzehnte später Aufzeichnungen als Multikamera-Schnitt zu sichten und auszugeben

Umsetzung und Entwicklung

Die Entwicklung des Studios erfolgte auch in Zusammenarbeit mit dem australischen Komponisten David William Pyke, der durch seine langjährige Erfahrung in der Aufnahme von Ballett und Orchesterwerken die notwendige Balance zwischen technischer Innovation und künstlerischen Anforderungen einbrachte. Seine Expertise floss besonders in die Konzeption der Aufnahmeräume und deren akustische Gestaltung ein, um sowohl Bewegung als auch Musik optimal zu dokumentieren.

Eine Video-Bibliothek gibt Einblicke in

Ansatz 1: Dokumentation der Schritte in Gesprächsform

Ansatz 2: Entwicklung eines Tanz-Video-Studios / "digitales (hybrides) Tanzstudio"

Ein solcher hybrider Tanzsaal könnte an Tanz-Orten in der ganzen Welt in die Praxis umgesetzt werden.

Mögliche konkrete Nutzungsszenarien sind

1. Hochschule - BA / MA Tanzpädagogik
Studierende geben Tanzunterricht. Die Aufzeichnung des Unterrichts wird anschließend als Datei ausgespielt. Am eigenen Computer kann die Lehreinheit gesichtet und analysiert werden.

2. Wettbewerbe, Prüfungen, Proben, Aufführungen
Live Feeds während einer Probe, praktischen Prüfung etc. sind für Personen als live Video verfügbar, nicht-öffentlich oder öffentlich und werden für das Archiv aufgezeichnet. Und wenn eine Rolle durch Ausfälle / Krankheit neu besetzt werden muss, ist Material vorhanden.

3. Archiv, Choreografiearbeit, Workshops
Videodokumentation bei der Arbeit mit Gästen (Choreografie, Workshops), sowohl intern als auch extern verfügbar - für die laufende Arbeit an Stücken, Neubesetzungen von Stellen, als Referenzmaterial etc.

Sollte es eine Frage und Interesse an einem Austausch geben, oder eine Zusammenarbeit, gerne (z.B. hier) bei mir melden.

 

284 steps Playliste

Foto Galerie

Team

Konzept, Regie, Produktion, Postproduktion - Pipo Tafel
Kamera Zagreb - Lukas Nürnberg
Website Design - Carina Musitowski
Website Implementierung - Elmar Stolley

Produktionsdetails

  • Vorproduktion: Juni - September 2021
  • Produktion in den USA: Januar - Februar 2022
  • Produktion Zagreb: Juli 2022
  • Produktion Köln/Düsseldorf: Dezember 2021, September 2022 - Februar 2023
  • 1. Öffentliche Präsentation: 9.7.2022, Zagreb Center for Contemporary Dance

Förderer

Pilotphase 2022 unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ – STEPPING OUT, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen der Initiative NEUSTART KULTUR. Hilfsprogramm Tanz.